Oikocredit vor Ort in Argentinien: Interview mit Fátima Goti

Oikocredit vor Ort in Argentinien: Interview mit Fátima Goti

Juni 08

Fátima Goti ist Oikocredit-Ländermanagerin in Argentinien und betreut seit über zehn Jahren unsere Partnerorganisationen in diesem Land. Wie ihr Arbeitsalltag aussieht und welche Herausforderungen Oikocredit in Argentinien bewältigen muss, erzählt sie uns in diesem Beitrag.

Wie würden Sie einen typischen Arbeitstag in der Praxis beschreiben? Wie oft besuchen Sie Ihre Geschäftspartnerinnen und -partner?

Wir besuchen unsere Partnerorganisationen mindestens einmal pro Jahr. Weil der größere Teil unseres Portfolios aus landwirtschaftlichen Betrieben besteht, beinhalten unsere Besuche vor Ort Gespräche mit dem Management, Besichtigungen der Lager und Aufbereitungsanlagen sowie der Produzenten. Während unserer Besuche prüfen wir die Richtigkeit der Informationen, die wir von unseren Partnern per E-Mail oder Post vor dem Treffen erhalten haben, beurteilen aber auch die Professionalität, Expertise und das Einhalten der Richtlinien von Geschäftsleitung und Vorstand.

Wenn wir kleinere landwirtschaftliche Unternehmen besuchen, ist das immer eine lehrreiche und bereichernde Erfahrung für mich. Die Liebe für das Land, die Leidenschaft, mit der unsere Partnerorganisationen arbeiten, der Eifer, mit dem sie uns von ihrer Arbeit, ihren Projekten Erfolgen und Misserfolgen erzählen, der Stolz, dass sie ein Teil unserer Kooperation sind, die oft für das wirtschaftliche Vorankommen verantwortlich ist – all das sind Gründe für uns, unsere Partner weiterhin zu unterstützen.

Ich glaube, dass sich Oikocredits Länderbüros glücklich schätzen können, dass sie direkten Kontakt zu den Partnerorganisationen haben. Es liegt daher in unserer Verantwortung, dass wir den anderen Mitarbeitenden von Oikocredit unsere täglichen Erfahrungen und unseren Enthusiasmus für die Projekte unserer Partnerinnen und Partner weitergeben. Ich versuche immer, die E-Mails weiterzuleiten, in denen unsere Partner Oikocredit danken. Wir haben großen Respekt vor ihrer Arbeit. Sie spüren diesen Respekt auch, wenn sie von Mitarbeitenden aus dem Regionalbüro oder von Oikocredit International besucht werden.

Wie ist das Portfolio von Oikocredit in Argentinien aufgestellt? Wie sehen Sie die Zukunft von Oikocredit in Argentinien?

Unser aktives Portfolio umfasst 21 Partnerorganisationen: Fünf Mikrofinanzinstitute (MFIs), zwei Bildungs- und eine Gesundheitseinrichtung, ein Unternehmen aus der Textilbranche und zwölf landwirtschaftliche Partner, die meist als Genossenschaften Getreide, Reis, Wein, Tee oder Früchte produzieren. Sowohl in den Branchen, in denen wir arbeiten, als auch in anderen, in denen wir noch nicht tätig sind, wie zum Beispiel im Bereich erneuerbare Energien, sehe ich Wachstumspotenziale. Ich persönlich schätze den landwirtschaftlichen Sektor weiterhin als stark wachsend ein.

Was ist Ihrer Meinung nach die größte Herausforderung für Oikocredit in Argentinien?

Ich denke, die größte Herausforderung ist das wachsende landwirtschaftliche Portfolio zu diversifizieren, ohne seine Qualität zu vernachlässigen. Es muss eine Balance zwischen Branchen mit höheren und niedrigeren Risiken geben, zwischen größeren und kleineren Partnerorganisationen. Es soll aber auch ein größerer Anteil von Unternehmen im Bereich biologischer Landwirtschaft und Fair Trade miteinbezogen werden.

Was ist Ihrer Meinung nach die größte Leistung von Oikocredit in Argentinien?

Es gibt drei Punkte, die von unseren Partnern sehr geschätzt werden, die ich hervorheben möchte: Erstens die Langzeitfinanzierung, die in unserem Land oft rar ist. Zweitens die anhaltende Unterstützung von Institutionen, trotz der eher negativen makroökonomischen Situation. Und zuletzt die Art und Weise, wie unsere Partnerorganisationen von den Oikocredit-Mitarbeitenden behandelt werden. Wir werden oft als Beraterinnen und Berater zu verschiedensten Themen herangezogen, wobei wir als Verbindung zu anderen Partnerorganisationen in der Branche agieren. Wir streben immer danach, mit unseren Partnern über eine reine Finanzierung hinaus zusammenzuarbeiten. Dies bietet uns den großen Vorteil gegenüber Banken oder anderen Finanziers, die kein Personal in der Region haben.

Über welche Oikocredit-Partnerorganisation möchten Sie uns mehr erzählen und warum?

Bei der breiten Diversifizierung des Portfolios und den langen Jahren, in denen ich als Ländermanagerin tätig bin, und weil ich alle unsere Partnerinnen und Partner sehr gut kenne, ist das keine leichte Frage. Die aktuellen 21 Partnerorganisationen haben alle eine starke soziale Wirkung und sind sehr engagiert in dem, was sie tun.

Einerseits möchte ich von der Mikrofinanzinstitution FIE Gran Poder erzählen, die vor über zehn Jahren meine ersten Partner waren und die eine große soziale Wirkung haben. Management und Mitarbeitende sind extrem motiviert und bringen die Institution trotz herausfordernder Bedingungen immer weiter voran.

Andererseits ist da die Cooperativa Villa Elisa, die mit ihrer Professionalität und Beharrlichkeit zu einem der wichtigsten Reisproduzenten in Argentinien wurden. Ich habe den Reis schon gekauft, bevor ich die Cooperativa Villa Elisa als Partner kannte! Und sie haben trotz ihrer Größe die ursprünglichen gemeinschaftlichen Werte nicht verloren.

Außerdem haben wir noch die Cooperativa Los Molinos, deren Geschäftsführer – trotz gesundheitlicher Probleme – weiterhin als Leiter der Genossenschaft tätig ist. Er bringt immer wieder neue Ideen ein, wie zum Beispiel eine Nudelfabrik, die mit unseren Mitteln finanziert wurde und zertifizierten Weizen verwendet.

Erwähnen möchte ich noch die Cooperativa La Riojana, die meiner Ansicht nach Oikocredits „perfekter“ Partner ist. Diese Genossenschaft von Produzentinnen und Produzenten mit sehr kleinen Anbauflächen liegt 1.200 km von Buenos Aires entfernt und ist die weltgrößte Produzentin biologisch hergestellter und Fair Trade-zertifizierter Weine. Sie ist ein Beispiel für eine Genossenschaft, die hart und effizient arbeitet, um profitabel zu wirtschaften, dabei aber immer auf den/die einzelne/n Produzentinnen und Produzenten und seine/ihre Bedürfnisse achtet. Viele der Mitglieder könnten nicht alleine bestehen, wenn die Genossenschaft La Riojana sie nicht unterstützen würde.

 

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