Wirkungsbericht 2020: Was steckt hinter den Zahlen?
Kawien Ziedses des Plantes kümmert sich bei Oikocredit um Global Social Performance – also um alles, was die Arbeit der Entwicklungsgenossenschaft in Bezug auf soziale Wirkung leistet. Hier erklärt sie die Hintergründe des jüngst veröffentlichten Wirkungsberichts 2020. Sie weiß, welche Arbeit hinter den Zahlen steckt.
Warum veröffentlicht Oikocredit jedes Jahr einen Wirkungsbericht?
In erster Linie geschieht das, um zu prüfen, ob wir auch wirklich eine soziale Wirkung erzielen. Schaffen wir es, im Leben wirtschaftlich benachteiligter Menschen – also der von uns unterstützten Menschen – etwas zum Positiven zu bewegen? Diese Frage ist wichtig. Der Bericht vermittelt einen Überblick über die von uns 2019 erzielte Wirkung: Er zeigt, wie viele Menschen wir über unsere Partner erreichen konnten und welche Maßnahmen wir ergriffen haben.
Es geht uns zum einen um die Rechenschaftspflicht: Werden wir unseren Ansprüchen gerecht? Aber auch darum: Konnten wir unser Leistungsangebot verbessern? Im Bericht zeigen wir die Menschen und Schicksale hinter den Zahlen – wer sie sind und inwiefern die Menschen von unserer Arbeit profitieren.
Wie erreicht und wie misst Oikocredit soziale Wirkung?
Die erste Frage, die sich Oikocredit als Genossenschaft stellt, lautet: Was ist unser Auftrag? Oikocredit wurde 1975 mit dem Ziel gegründet, nachhaltige Entwicklung in wirtschaftlich benachteiligten Regionen der Welt zu fördern. Seitdem setzen wir diesen Anspruch strategisch um, indem wir die Chancen von Menschen und Gemeinden mit geringem Einkommen verbessern. Natürlich können wir nicht an jedem Ort der Welt Büros eröffnen. Daher engagieren wir uns über sorgfältig ausgewählte Partnerorganisationen, in die wir investieren.
Das sind Partner, die unsere Werte und Ziele teilen. Die Auswahl geeigneter Partner erfolgt anhand ökologischer, sozialer und ethischer Faktoren, der sogenannten ESG-Werte (Environment, Social, Governance). Dabei prüfen wir nicht nur, wen diese Partner erreichen, sondern auch, wie sie arbeiten, ob sie ihren Kreditnehmer*innen zum Beispiel auch Zusatzleistungen bieten. Es geht also darum, die richtigen Partner auszuwählen und sie bei ihrer sozialen Aufgabe zu unterstützen. So erreichen auch wir unsere Ziele. Deshalb dreht sich der Bericht auch um die Arbeit unserer Partner.
Warum messen Sie Verbesserungen nicht einfach an der Entwicklung der Einkommen?
Ja, das ist eine berechtigte Frage und wir haben uns damit beschäftigt. Es ist aber so: Veränderungen beim Haushaltseinkommen lassen sich nur schwer auf eine einzelne Maßnahme zurückführen – dies im Einzelfall immer genau nachzuvollziehen wäre sehr kostspielig. Wir setzen daher auf die Ergebnisse der dazu bereits durchgeführten Forschung. Die Forschung zur sozialen Wirkung lehrt uns, wie wir die gewünschte Wirkung erzielen können.
Das bedeutet auch, dass wir das Forschungsumfeld genau im Auge behalten, um unsere Herangehensweise zu optimieren. So beziehen sich viele Messgrößen im Bericht auf Frauen, wie beispielsweise beim Prozentsatz der weiblichen Kundschaft, die von unseren Partnern betreut wird. Ein gutes Beispiel für die Erforschung der sozialen Wirkung. So haben Untersuchungen gezeigt: Investitionen, mit denen Frauen arbeiten können, kommen tendenziell auch anderen Mitgliedern ihrer Gemeinschaft – wie zum Beispiel ihrer Familie – zugute und schaffen so mehr soziale Wirkung. Hingegen entfalten Investitionen, mit denen Männer arbeiten, in der Regel nicht die gleiche „soziale Hebelkraft“. Das ist der eine Aspekt. Der andere ist Selbstbestimmung von Frauen.
Es gibt viele Gesellschaften, in denen Frauen nicht gleichberechtigt sind. Mikrofinanzorganisationen setzen daher vorrangig auf Kredite für Frauen, um ihnen ein Mitspracherecht einzuräumen und Chancen zu bieten. Indem wir also – gerade in ländlichen Gebieten – stellvertretend auf Frauen abzielen, erreichen wir die gewünschten Verbesserungen. Die Forschung bestätigt die Wirksamkeit dieses Ansatzes.
Wie wichtig sind die Ziele für Nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen (Sustainable Development Goals, SDGs) für die Arbeit von Oikocredit?
Als UNO-Initiative sind die SDGs von großem Wert, weil sie praktisch weltweit jedes Unternehmen, jeden Fonds und jede Regierung für dieses Thema sensibilisieren. Das hat schlagartig die Arbeit von Social Impact Investoren wie Oikocredit in den Mittelpunkt gerückt. Es ist jetzt auch einfacher zu erklären, wer wir sind und was wir tun. Seit Beginn unserer Tätigkeit, also seit 1975, gibt es bei unserer Arbeit Berührungspunkte zu fast allen SDGs.
Oikocredit arbeitet auch mit anderen Organisationen und Normungsverbänden wie SPTF, GIIN und UN PRI zusammen, die die soziale Wirkung messen. Dadurch sind wir nicht nur über die neuesten Erkenntnisse zur sozialen Wirkung auf dem Laufenden. Oikocredit kann den Prozess auch lenken, indem sie ihre Praxiserfahrungen mit den Organisationen teilt.
Hinzu kommt, dass wir durch unsere Zusammenarbeit mit verschiedenen Dachorganisationen ein grundsätzliches Einvernehmen unter sozialen Kreditgebern schaffen können. Damit tragen wir zur Entwicklung klarer Parameter für soziale Wirkung bei, an denen sich unsere Partner orientieren können. Das verringert aufseiten sozialer Kreditgeber auch den Bedarf an Berichterstattung zur Datenlage der Organisationen, in die sie investieren.
Wie wichtig sind Beratungen und Schulungen, um soziale Wirkung zu erreichen?
Sehr wichtig! Wir schätzen uns überaus glücklich, dass wir mit mehreren bekannten Organisationen wie etwa Brot für die Welt, IDB und anderen im Wirkungsbericht genannten Verbänden zusammenarbeiten. Ohne diese Organisationen wären unsere größeren Beratungs- und Schulungsprojekte schlichtweg nicht möglich. Chancen für Kleinbäuer*innen und wirtschaftlich benachteiligte Haushalte zu schaffen, um den Herausforderungen des täglichen Lebens in einer komplexen und oftmals unberechenbaren Welt begegnen zu können, erfordert Anstrengung auf allen Ebenen.
Partner, die aus betriebswirtschaftlicher Sicht ausgesprochen effektiv arbeiten, benötigen unter Umständen Hilfe, um soziales Wirkungsmanagement in ihre Tätigkeit zu integrieren, damit eine größere Zahl von Kleinbäuer*innen erreicht werden kann. Andererseits mag es Organisationen geben, die wissen, wie man soziale Wirkung erzielt, aber auf der organisatorischen Seite weniger effektiv sind. Ein Beispiel: Ein Partner hat erfolgreich einen Familienbetrieb aufgebaut und muss jetzt lernen, wie man ein Unternehmen effektiv führt.
In jedem Fall brauchen der landwirtschaftliche Kleinbetrieb, der Kreditnehmer bzw. die Kreditnehmerin Wertschöpfungsketten, entlang der sich Chancen ergeben.
Wie unterstützt Oikocredit ihre Partner mit Beratungen und Schulungen?
Wenn wir die Stärken und Schwächen eines Partners kennen, können unsere Kolleg*innen den Partner nicht nur mit der passendsten Art der Finanzierung, sondern auch in anderer Hinsicht unterstützen. Das schließt auch Beratung und Schulungen ein. Das hat sich gerade bei der aktuellen COVID-19-Krise gezeigt.
Oikocredit kann Partner mit spezifischen Trainingsmaßnahmen und Finanzplanungsinstrumenten unterstützen, wie beispielsweise die Einrichtung von Geschäftskontinuitätsplanung und Cashflow-Management in Krisenzeiten. Ferner haben wir Möglichkeiten für den Austausch mit anderen Partnern geschaffen, um unseren Partnerorganisationen so durch die Phase des ersten Schocks zu helfen. Partner, die bislang gut durch die Krise gekommen sind, haben ihre Erfahrungen und Erkenntnisse mit anderen geteilt, für die der Umgang mit einer derartigen Krise neu war. Auf diese Weise fördern wir die Solidarität unter Partnern bei allen möglichen Herausforderungen.
Im Mittelpunkt unseres Wirkungsberichts stehen die Beratungs- und Schulungsprojekte, die im Laufe des Jahres gemeinsam mit den entsprechenden Institutionen und Geldgebern direkt umgesetzt wurden. Durch langfristige Beziehungen und echte Zusammenarbeit mit unseren Partnern konnten wir wertvolle Hilfe leisten.
Werden einige dieser Neuerungen auch nach der Pandemie bestehen bleiben?
Auf jeden Fall. So haben wir beispielsweise mit unseren Online-Seminaren und -Workshops ein Forum zur gegenseitigen Unterstützung geschaffen, das wir wohl beibehalten werden. Training durch digitale Seminare ist nicht neu. Aber durch die Pandemie wissen wir jetzt, wie viel sich mit Online-Meetings schaffen lässt. Dadurch haben wir jetzt häufigeren Kontakt mit Partnern und auch anderen Social Impact Investoren.
Hat der Wirkungsbericht Bereiche aufgezeigt, in denen Verbesserungsspielraum für Oikocredit besteht?
Natürlich sollten wir uns stets um Verbesserung bemühen. Die Pandemie hat gezeigt, dass uns das gelingt und wir die Art unserer Zusammenarbeit mit anderen im Sektor deutlich verbessern konnten. So arbeiten wir jetzt enger als zuvor mit gleichgesinnten Organisationen zusammen.
Auf welche Leistungen können Oikocredit und ihre Unterstützer*innen besonders stolz sein?
Dass wir den Nutzen für die Endkund*innen sowie kontinuierliche Verbesserung stets im Auge behalten, das ist für mich der wichtigste Punkt. Und natürlich unsere rasche Reaktion auf die mit COVID-19 verbundenen Herausforderungen. Es ist gelungen, uns rasch einen Überblick über die Anforderungen unserer Partner zu verschaffen und dem gerecht zu werden. Gleichzeitig konnten wir sie bei der Bewältigung dieser Herausforderungen unterstützen.
Und unsere Partner haben dann ähnlich schnell auf die Anforderungen ihrer Endkund*innen reagiert. Hier geht es beispielsweise um Beratung, um so andere Betätigungsmöglichkeiten für Kleinstunternehmer*innen aufzutun, wenn die Pandemie zu Einbrüchen an ihren üblichen Märkten führt.
Die Mitglieder und Anleger*innen von Oikocredit möchten gerne direkt von unseren Partnern hören, dass wir unserem Auftrag gerecht werden: Konzentration auf Endkund*innen und kontinuierliche Verbesserung. Diesem Wunsch kommen wir sowohl durch unseren Wirkungsbericht 2020 nach als auch über unsere verschiedenen Kommunikationskanäle, (Online-) Veranstaltungen und natürlich durch den persönlichen Kontakt via Telefon oder E-Mail.
> Wirkungsbericht 2020 hier herunterladen.
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