Was macht eigentlich ein Agriculture Specialist?

Was macht eigentlich ein Agriculture Specialist?

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Barbara Rademaker ist seit Januar 2021 Global Agriculture Specialist bei Oikocredit. Im Interview spricht sie über ihre berufliche Laufbahn, ihre Aufgaben bei Oikocredit und welche Pläne sie für die Zukunft hat.

Erzählen Sie uns ein wenig über Ihre berufliche Laufbahn 

Bevor ich zu Oikocredit kam, habe ich 15 Jahre in Lateinamerika gelebt und in unterschiedlichen Positionen im Bereich Impact Investing gearbeitet. Ich war Investmentmanagerin, technische Beraterin, volkswirtschaftliche Beraterin und Vorstandsmitglied mehrerer Mikrofinanzinstitute (MFIs). Dadurch habe ich sowohl direkt als auch indirekt mit Vertreter*innen indigener Völker, Kleinbauern und -bäuerinnen, Kooperativen sowie kleinen und mittleren Unternehmen (SMEs) zusammengearbeitet.

Ich würde mich als Expertin für Weiterbildung, Konzeption und Umsetzung von Programmen zu technischer Unterstützung und Capacity Building bezeichnen. Das passt perfekt zu meiner jetzigen Aufgabe bei Oikocredit. 

Was hat Sie dazu bewogen für Oikocredit zu arbeiten? 

Zum einen die Tatsache, dass Oikocredit eine Genossenschaft ist. Investor*innen einer Genossenschaft sind anders als andere Social-Impact-Investor*innen. Sie sind engagierter; sie hinterfragen, was man tut und interessieren sich für die Gründe. Wenn Sie immer nur das Gleiche machen, ob draußen oder hinter dem Schreibtisch, sind Sie irgendwann in ihrem Tagesgeschäft gefangen. Ich finde es inspirierend, mit sozial und ökologisch engagierten Investor*innen zusammenzuarbeiten, die langfristig denken. Und ich finde es gut, dass sie unsere Arbeit nicht nur unterstützen, sondern auch kritisch hinterfragen. Das ist wichtig, weil wir so immer wieder daran erinnert werden, wofür Oikocredit steht: verantwortungsvolles Investieren, um Menschen mit niedrigen Einkommen zu helfen, ihren Lebensstandard zu verbessern. Außerdem kann ich bei Oikocredit das tun, woran mir am meisten liegt: Capacity Building.

Für Oikocredit ist es sehr wichtig, langfristig etwas zu bewirken, nicht nur kurzfristig zu unterstützen. Wir wollen unser Wissen weitergeben, sodass unsere Partnerunternehmen besser werden. Langfristige Unterstützung zu bieten ist risikoreicher, aber genau das ist es, was unsere Partnerinnen und Partner brauchen. Und das unterscheidet Oikocredit von anderen Impact-Investoren. Ich liebe meine Aufgabe und bin dankbar für die Chance, sie zu erfüllen. 

Was genau tun Sie als Agriculture Specialist von Oikocredit? 

Ich habe zwei Schwerpunkte. Erstens entwickle ich Capacity-Building-Programme und Projekte für kleinbäuerliche Betriebe und SMEs, die in der Landwirtschaft tätig sind, sowie für Finanzinstitute, die Kleinbäuerinnen und Kleinbauern besseren Zugang zu Finanzdienstleistungen bieten wollen. Zu diesem Zweck ermitteln wir die gemeinsamen Bedürfnisse der Organisationen und entwickeln darauf abgestimmte Capacity-Building-Programme, wobei wir auch die spezifischen Bedürfnisse der einzelnen Partner berücksichtigen. Ein Beispiel ist unser Price Risk Management Programme. Es umfasst gemeinsame Weiterbildungskurse, gegenseitige Besuche der Landwirtinnen und Landwirte sowie Einzel-Coachings. Die Kombination aus gemeinsamem Lernen und Unterstützung für individuelle Problemstellungen hilft unseren Partnerunternehmen, das Gelernte umzusetzen. 

Ein solches Capacity-Building-Programm kann auch für einzelne Partner*innen aufgesetzt werden, wenn Reichweite und Wirkung für den Agrarsektor groß genug sind. Beispielsweise unterstützen wir in Kambodscha ein Mikrofinanzinstitut dabei, sein Angebot auf landwirtschaftliche Genossenschaften auszuweiten. Dazu helfen wir, die Kreditvergabeprozesse zu verbessern und auch nicht finanzbezogene Dienstleistungen für diesen Sektor zu entwickeln.  

Meine zweite Aufgabe ist es, zusammen mit meinen Kolleg*innen aus der Abteilung Social Performance and Innovation unsere Stakeholder zu informieren und unser Wissen an sie weiterzugeben. Im nächsten Jahr wollen wir eine Oikocredit Academy aufbauen, so dass unsere Partnerunternehmen auf Programme und Informationsmaterialien zugreifen können, die wir im Rahmen unserer Capacity-Building-Programme entwickelt haben.  

Warum ist es wichtig, die Landwirtschaft zu unterstützen? 

Die allermeisten Menschen mit niedrigen Einkommen leben auf dem Land, nicht in Städten, und erzielen ihren Lebensunterhalt mit kleinen landwirtschaftlichen Betrieben. Nach Informationen des International Fund for Agricultural Development (IFAD) leben etwa 3,4 Milliarden Menschen (und vier Fünftel der ärmsten Menschen) in ländlichen Regionen der Schwellenländer. Hunderte Millionen von Kleinbäuerinnen und -bäuern helfen, die Bevölkerung des Landes zu ernähren. Da sie aber keinen Zugriff auf Kredite und Märkte haben, besteht die Gefahr, dass sie übervorteilt werden, beispielsweise durch unfairen Wettbewerb, schwankende Preise und den Klimawandel.

Regierungen vernachlässigen die ländlichen Regionen häufig. Indem wir in kleine landwirtschaftliche Betriebe und die Weiterbildung der Menschen dort investieren, können wir die Lebensstandards wirklich verbessern. Wir können neue Stellen schaffen, die lokale Wirtschaft beflügeln und dem Wegzug in die Städte entgegenwirken. Der IFAD berichtet, dass Investitionen in die Landwirtschaft in Subsahara-Afrika bis zu 11-mal effizienter die Armut bekämpfen als Anlagen in anderen Sektoren. 

Beschreiben Sie uns einige der größten Herausforderungen in der Landwirtschaft und wie Capacity Building helfen

Eine wichtige Herausforderung ist, Möglichkeiten zu finden, die Risiken des landwirtschaftlichen Produktportfolios zu senken, vor allem angesichts der zahlreichen Folgen des Klimawandels für diesen Sektor. Capacity-Building-Programme sind eine Möglichkeit, den Sektor nachhaltiger zu machen und zugleich die Risiken unserer Investments zu senken. Beispielsweise unterstützen wir ein Partnerunternehmen in Westafrika, das zurzeit eine wetterindexgebundene Versicherung entwickelt. Wettergebundene Versicherungen sind ein innovativer und erfahrungsgemäß kosteneffizienter Ansatz in Schwellenländern. Der Schadensausgleich ist an lokale Wettermessungen gebunden, zum Beispiel an die Regenmenge, und nicht wie sonst üblich an die Erntemengen der Farmer. Auch unser bewährtes Price-Risk-Management-Programm zur Steuerung von Preisschwankungen hilft Kaffeebäuerinnen und -bauern und senkt zugleich die Risiken unseres Portfolios. Allgemeiner gesagt, wollen wir landwirtschaftlichen Partnerunternehmen helfen, schnell und flexibel auf externe Ereignisse zu reagieren. 

Wie wirkt sich der Klimawandel auf die Landwirtschaft aus? 

Der Klimawandel hat enorme Auswirkungen. Durch ihn haben sich nicht nur die Erntezyklen verändert. Es gibt Dürren, Überschwemmungen und andere Extremwetterereignisse wie Stürme, die kleine Betriebe massiv belasten. Das gilt vor allem für Rohstoffe wie Kaffee und Kakao. Immer häufigere Dürren können dazu führen, dass vor Ort kein Strom aus Wasserkraft für den Betrieb kleiner Maschinen zur Verarbeitung der Ernten zur Verfügung steht. Andererseits sorgt die technische Entwicklung auch für Chancen in der Landwirtschaft. Die Herausforderung ist, neue Technologien an die Realität von Kleinbäuerinnen und -bauern anzupassen. Beispielsweise kann man jetzt über Satellit den Zustand der Fruchtstände und Böden untersuchen. Aus diesen Informationen praktischen Nutzen zu ziehen und Maßnahmen für Kleinbauern zu entwickeln, ist häufig nicht leicht - aber es ist möglich. 

Welche Auswirkungen hat COVID-19 auf die Landwirtschaft? Was tun wir dagegen? 

Die Margen in der Landwirtschaft sind gesunken, weil die Produktionskosten gestiegen sind. Notwendige Hilfsmittel wie Säcke oder Transportmöglichkeiten sind knapp. Aufgrund der Coronabeschränkungen konnten Landwirt*innen zeitweise keine Erntehelfer*innen bekommen, und durch die Biosicherheitsmaßnahmen sind bei einigen Partnerunternehmen die Kosten gestiegen. Durch den weltweiten Mangel an Containern sind Logistikprobleme entstanden, und weil Cafés weltweit zeitweise geschlossen waren, ist die Nachfrage zurückgegangen. Glücklicherweise waren die Folgen für die Landwirtschaft nicht so verheerend wie befürchtet. Auch im Lockdown müssen die Menschen essen und trinken, und während der Pandemie haben die meisten Regierungen die Landwirtschaft stark unterstützt. In den Städten, wo viele Mikrofinanzierungs-Partner von Oikocredit ihren Sitz haben, waren die Folgen gravierender.  Darauf haben wir auf unterschiedliche Weise reagiert: 2020 hat Oikocredit einen Coronavirus-Solidaritätsfonds aufgelegt, mit dem unsere Partnerunternehmen ihre Kund*innen und Mitglieder zusätzlich unterstützen konnten. Aufbauend auf den Solidaritätsfonds haben wir kürzlich ein Programm ins Leben gerufen, das wir Innovation als Antowort auf Covid-19 nennen und mit dem wir Partnerunternehmen unterstützen, die innovative Lösungen für Kund*innen und Mitglieder entwickeln, die besonders von der Pandemie betroffen sind. Mit dieser neuen Initiative helfen wir unseren Partnern, sich auf die Zeit nach der Pandemie vorzubereiten. Außerdem haben wir Partnerunternehmen, die in Schwierigkeiten geraten sind, Zahlungsaufschub gewährt und bieten ihnen zusätzliche Online-Ressourcen und -Unterstützung. 

 

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